Bericht von Silvia Gottwald, s.gottwald@menschen-international.de  Mauritius: Land im indischen Ozean Mauritius- die Insel im Indischen Ozean zwischen Madagaskar und Indien ist 11 Flugstunden von Frankfurt entfernt. Reisekataloge preisen die sie als Paradies für Honeymooner, Wassersportler und Golfer – mit luxuriösen Hotels an traumhaft weißen Stränden und türkisfarbenem Wasser. Für zahlungskräftige Touristen gibt es allen erdenklichen Luxus. Doch wir wollen das Land und seine Bewohner vor allem abseits der Hotelwelt kennen lernen: Meine Brieffreundin lebt auf Mauritius. Dieses Jahr haben wir sie das erste Mal besucht. Erster Eindruck im Landeanflug, noch im Dunkeln: die vielen Lichter, die uns ins Bewusstsein rufen, an einem recht dichtbevölkerten Flecken der Erde angekommen zu sein: Über eine Millionen Einwohner leben auf rund zweitausend Quadratkilometern. Dazu kommen in der Sommer-Saison noch Tausende von Touristen. Wir haben uns bewusst den – allerdings oft regenfeuchten – mauritianischen Winter als Reisezeit ausgesucht. Mauritius hat keine eigentlichen „Ureinwohner“. Durch die wechselvolle Geschichte der Insel besteht die Bevölkerung heute aus Nachfahren der ehemaligen Kolonialherren; der afrikanischen Sklaven, die für die schwere Arbeit auf den Plantagen auf die Insel gebracht wurden; Arbeitskräften, die aus Indien angeworben wurden, als die Sklaverei offiziell beendet war und sehr viel später eingewanderten Chinesen, die v.a. als Kaufleute arbeiten oder Restaurants betreiben. Man spricht von etwa 69 % Indo-Mauritiern, wobei sie weder sprachlich noch religiös eine einheitliche Gruppe bilden. Deutlich unterschieden wird zwischen Hindus, Tamilen und (indischen) Moslems, denen auch jeweils eine eigene Farbe in der Landesflagge zugeordnet wird. Etwa 27% der Bevölkerung sind Kreolen. Nur etwa 1 % machen Franko-Mauritier (mit Engländern und Iren) aus, der Anteil der Sino-Mauritier beträgt etwa 3 %. All die letztgenannten Gruppen sind in der Regel Christen, ihnen wird die blaue Farbe in der Landesfahne zugeordnet. Heute ist Mauritius unabhängig und demokratisch. Für Europäer ist es dennoch von Vorteil, dass sich zu Kolonialzeiten Franzosen und Engländer die Klinke in die Hand gaben: offizielle Schul- undVerwaltungssprache ist Englisch, womit man in Hotels und Geschäften auch gut auskommt. Französisch wird allerdings meist lieber gesprochen. Umgangssprache zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen ist neben vielen anderen Sprachen das mauritische Kreol. Aus englischen Zeiten stammt auch der für uns gewöhnungsbedürftige Linksverkehr. Als Fußgänger ist bei dem Tempo auf den Straßen, den gewagten Überholmanövern und vor allem im Dunkeln (häufig gibt es keineTrottoirs) erhöhte Vorsicht geboten. Obwohl wir des öfteren die Luft anhielten, wenn der Fahrer bei Gegenverkehr noch zum Überholen des Wagens vor ihm ansetzte, welcher gerade dabei war, einen anderen zu überholen, passiert anscheinend selten etwas. Allerdings ist wirklich davon abzuraten, sich selbst hinters Steuer zu setzen. Eine gute Möglichkeit, die Insel zu erkunden, sind Taxen und Busse. Ein Taxi kann man auch für einen ganzen Tag mieten (am besten vorher einen Festpreis aushandeln). Der Fahrer kennt sich in der Regel aus, kann Tipps zu Restaurants etc. geben und hält auf Wunsch auch für Fotostops. Nicht unbedingt verlassen sollte man sich allerdings auf Zeitangaben, z.B. wenn man ein Schiff zu einer bestimmten Uhrzeit bekommen möchte. Unter Umständen können freundlich beruhigend gemeinte „es sind nur 10 Minuten“ in Wirklichkeit eine halbe Stunde lang sein…. Mauritier gehen in der Regel abends nicht aus, im Kreis der Familie wird gemeinsam gegessen und geplaudert. So ist, selbst in der Hauptstadt, außer dem Abendprogramm in größeren Hotels „nichts los“- außer den Hunden: es gibt mindestens so viele Hunde wie Einwohner auf Mauritius, die meisten haben keine Besitzer und leben von dem, was sie unterwegs finden. Von kleinen Wellblechhütten bis hin zu bewachten Villen am Strand ist auf Mauritius alles vertreten. Überall sind auch noch unfertige Betonbauten zu sehen, an manchen wird gearbeitet, in vielen auch schon gewohnt (solange ein Haus nicht fertig ist, müssen noch keine Steuern gezahlt werden …). Während unseres Inselaufenthalts haben wir nicht nur die Familie meiner kreolischen Brieffreundin besucht, sondern auch eine weitere Kreolin, die ich während ihres kurzen Deutschlandaufenthalts kennengelernt hatte sowie eine Hindufamilie. So konnten wir ein Stück ihrer Lebenswelt und ihres Alltags kennen lernen. Wir waren in einem kleinen Dorf im Landesinneren, an der Nordostküste und in einer Vorortsiedlungvon Port Louis zu Gast. Von einer kleinen Wohnung in einer Blocksiedlung bis zu einem Ein- und Mehrfamilienhaus: Ungewohnt waren für uns die z.T sehr engen Verhältnisse – oft leben auch Mitglieder der angeheirateten Familie, Geschwister mit Ehepartner und Kindern mit im Haus, wobei längst nicht jedes Kind ein eigenes Bett hat. Sehr einfach sind die sanitären Einrichtungen, teilweise wird auch heute noch die Wäsche im Fluss gewaschen.
Aber überall war ein Fernseher anzutreffen. Was als schön empfunden wird, ist für unsere Augen oft recht kitschig. Aber die Gastfreundschaft war hier wie da umwerfend und fast beschämend für uns, da sie in Deutschland selten so anzutreffen ist. Eine Einladung zum Essen gehörte immer dazu. Die mauritische Küche ist aufgrund der kulturellen Verschmelzung recht vielfältig, sehr lecker ist ein kreolisches Carri mit Reis, dazu Fleisch, Fisch oder Gemüse, meist Bohnen und einer scharfen Sauce. Erstaunt hat uns, dass Hindus, Moslems und Christen Tür an Tür leben und im Alltag gut miteinander auszukommen scheinen. Es gäbe keine Probleme, denn jeder würde den anderen respektieren, wurde uns immer wieder gesagt. Inwieweit es eher ein Neben- als ein Miteinander ist, oder ob tatsächlich Christen ebenso das hinduistische Lichterfest Divali mitfeiern wie Moslems Weihnachten, konnten wir während unseres dreiwöchigen Aufenthalts leider nicht feststellen. Im Parlament, so heißt es, wird jedoch sehr darauf geachtet, dass jede Gruppe ihre Vertretung hat und niemand benachteiligt wird. Von der tiefen Religiosität zeugen auch die vielen Hausaltäre und Schreine, die unterschiedlichsten Tempel, Kirchen und Moscheen, die überall in großer Zahl anzutreffen sind. Einige davon haben wir besucht, wie den Hindutempel am Grand Bassin, wohin alljählich Tausende zum Fest Maha Shivaratree pilgern oder den – je nach Wasserstand entweder am oder im Wasser gelegenen – Tempel von Poste de Flacq. In der Hauptstadt Port Louis treffen die verschiedensten Einflüsse sowie arm und reich besonders krass aufeinander. Neben dem großen Hafen gibt es ein hochmodernes Einkaufszentrum – die Caudan-Waterfront – mit vielen kleinen (in unseren Augen teuren) Boutiquen. Viel authentischer ist der zentrale Markt, in dem die Händler alle Arten von Obst, Gemüse, Fisch und Lebensmitteln anpreisen. An kleinen und großen Ständen, auf Tüchern am Boden, Bauchläden und Fahrradbehältern wird angeboten und um Preise gefeilscht.
Auf der Hauptinsel gibt es landschaftlich sehr schöne Stellen: ausgedehnte Wälder in den Naturreservaten, Seen und Wasserfälle vor dem Hintergrund der schroffen vulkanischen Berggipfel. Sehenswert ist auch die „siebenfarbige Erde“ im Südwesten. In den höheren Lagen des Plateaus gibt es Teeplantagen, ein wenig Kaffee- und Tabakanbau im Süden, außerdem viele Früchte wie Bananen, Ananas etc. Die größte Fläche von Mauritius ist jedoch mit Zuckerrohr bedeckt. Lange Zeit das Hauptexportprodukt ist Zucker heute noch immer ein wichtiger Wirtschaftsfaktor neben der Textilindustrie und dem immer stärker werdenden Tourismus: Viele jungen Mauritier wollen die harte Knochenarbeit in den Zuckerrohrfeldern nicht mehr auf sich nehmen, sie arbeiten lieber im Tourismus, was den freundlichen, stets hilfsbereiten Menschen sehr entgegen kommt. Bei gutem Wetter lockt natürlich das wunderbar klare Wasser des indischen Ozeans, in dem man dank des schützenden Riffgürtels unbehelligt vor Haien baden kann. Dort, wo die Korallen noch intakt sind, lohnt es sich zu tauchen oder zu schnorcheln, die vielen bunten Fische lassen sich auch gut bei einem Underseewalk oder einer Glasbodenfahrt beobachten. Vieles wäre noch zu erzählen, z.B. von der Sega, dem mauritianischen Tanz – besser ist natürlich, hinzufahren und sie selber mitzuerleben. Silvia Gottwald